Anlässlich der Bundestagswahl am 22. September befragte die Kreiszeitung für ihre Jugendseite „Chili“ den Vorsitzenden der Diepholzer Jusos Özkan. Hier die ungekürzte Fassung des Interviews.

Ich bin bei meiner Partei, weil
sie sich seit 150 Jahren für Freiheit, Gleichheit und Solidarität einsetzt. Das Streben nach dem Ziel, jedem Menschen, gleich welcher Herkunft, die selben Chancen durch faire Lebensbedingungen zu bieten, ist für mich von großer Bedeutung und gleichermaßen persönliche Motivation zum politischen Engagement. Denn Freiheit allein reicht ohne Gleichheit und Solidarität für ein selbstbestimmtes Leben nicht aus.

Welcher Standpunkt Deiner Partei ist verkehrt?
Weniger ein konkreter Standpunkt, vielmehr die eigene Wahrnehmung der SPD und damit all ihre unverrückbaren Standpunkte generell: Meines Erachtens treten wir mit diesen nicht immer, aber doch häufig, viel zu vorsichtig auf. Ich würde mir eine selbstbewusstere SPD wünschen, die ihre Ansichten geradeaus und klar behauptet.

Warum sollten Teenager Deine Partei trotzdem wählen?
Nicht trotzdem, sondern gerade deswegen! Als Teenager hat man das gesamte Leben noch vor sich. Dieses gilt es möglichst frei zu planen und zu gestalten. Dafür erforderlich ist nicht nur eine gute Arbeits- und Bildungspolitik, diese muss ebenso nachhaltig und von Qualität sein. Wir als SPD wollen eine Wirtschaft, die Ausbildungsplätze schafft und später einen direkten Übergang dieser in geregelte Berufe garantiert, von denen man auch leben kann. Daher fordern wir einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro. Auch der Zugang zum schnellen Internet für alle ist in der heutigen Zeit unabdingbar – dafür wollen wir sorgen. Die Bildung hingegen ist zwar größtenteils Ländersache, aber gerade hier zeigte sich durch die SPD-Landesregierungen, dass mit unserer Partei Studiengebühren nicht machbar sind und wir, mehr noch, das BAföG verbessern wollen, damit mehr Chancengleichheit herrscht. Das Betreuungsgeld von CDU und FDP als verkappte „Herdprämie“ widerspricht der gesellschaftlichen Gleichstellung von Frau und Mann und läuft zudem einer guten Integrationspolitik zuwider. Die SPD dagegen bietet mit ihren politischen Themen und Lösungsansätzen gerade jungen Menschen eine Perspektive.

Warum sollten Jugendliche am 22. September überhaupt zur Wahl gehen?
Um die eben genannten Themen der SPD nicht nur Theorie sein zu lassen, braucht es auch der Stimmen aller Wähler und gerade der jungen. Die Wahlbeteiligung der jungen Mitbürger liegt leider unter denen anderer Altersgruppen. Eine Politik für 70% der Deutschen darf nicht das Ziel sein, sondern eine für alle. Daher muss möglichst jeder durch sein Recht zu wählen mitbestimmen, mit welchen Ideen Deutschland zukünftig gestaltet werden soll.

Was tut Deine Partei, um Jugendliche zu erreichen?
Natürlich ist die SPD verstärkt im Netz aktiv. Dazu gehören die sozialen Medien selbstverständlich dazu. Dieses Angebot geht über das Bereitstellen von Informationen hinaus, indem etwa Peer Steinbrück kürzlich erstmals einen „Twitter Town Hall“ veranstaltete. Hier konnten Twitter-Nutzer mit dem Hashtag „#fragPeer“ ihre Fragen unkompliziert stellen und live beantwortet bekommen. Auch laufen wir als SPD und mit den Jusos als sozialdemokratische Jugendorganisation hier in unserem Landkreis durch Städte und Gemeinden und werben an den Haustüren für unseren Kandidaten Dr. Christoph Lanzendörfer und stehen so auch Jugendlichen für Fragen und Anregungen zur Verfügung. Wir haben mit den Jusos in Diepholz jedenfalls gute Erfahrungen in den ersten vier Wochen gemacht, und sind durch positive Rückmeldungen zuversichtlich, dass dies auch gut ankommt. Schon bald haben allein wir Jusos an 1.000 Haustüren im Landkreis geklingelt.

Tut Deine Partei etwas für Jugendliche, das andere Parteien nicht versprechen?
Hervorzuheben ist sicherlich der wichtige Bereich der Bildung. Wir fordern eine gute und kostenlose Bildung, insbesondere für die Universität. Bildung darf kein Privileg weniger, besonders finanzkräftiger Familien sein. Doch auch andere Faktoren spielen für eine gute Bildung eine Rolle. Viele junge Menschen ziehen zum Studieren oder für eine Ausbildung aus dem Elternhaus aus und möchten in einer WG oder alleine leben, doch die Mietpreise sind zuletzt immens gestiegen und viele können es sich einfach nicht leisten. Daher fordern wir eine Mietpreisbremse. Darüber hinaus haben wir mit den Jusos in der SPD eine Arbeitsgemeinschaft für Jugendliche, die sich aktiv einbringt und damit die SPD-Politik entscheidend mitprägt. Für unseren Landkreis zu nennen ist etwa unser Vorstoß aus dem letzten Jahr durch einen Antrag der Jusos Weyhe, gegen das zügellose Fracking zur Gewinnung von Gasvorkommen vorzugehen. Damit haben wir es bis in das Programm unserer derzeitigen Landesregierung geschafft.

Welche Themen findest Du für Jugendliche wichtig, die Deine Partei nicht behandelt?
Ich finde schon, dass die SPD ein sehr breites Spektrum an Themen besetzt und dabei richtig gewichtet. Von der Bildungs- bis zur Netzpolitik.

Erst mit 18 Jahren darf in Deutschland eine Stimme bei der Bundestagswahl abgegeben werden. Müssten nicht auch 16-Jährige über ihre Zukunft mitentscheiden dürfen?
In vielen Bundesländern besteht ein aktives Wahlrecht für 16-jährige bei Kommunal- und Landtagswahlen, so auch bei uns in Niedersachsen. Von daher können Jugendliche unter 18 Jahren durchaus heute schon mitentscheiden. Ob damit das Interesse wählen zu gehen mit einhergeht, ist zweifelhaft, wie Statistiken zeigen. Daher präferiere ich den Ansatz, das Thema Demokratie und Politik im Schulunterricht früher und stärker einzubeziehen und so erstmal eine Grundlage zu schaffen, mit der eine Wahl durch eine breite Beteiligung erst Sinn macht. Das Senken des Wahlalters allein halte ich für keine Verbesserung.

Ab wie vielen Jahren traust Du einem Menschen zu, dass er eine eigene Meinung hat und damit wählen kann?
Diese Frage korrespondiert ja mit der vorherigen. Pauschal kann man es nicht sagen, denn jeder entwickelt sich unterschiedlich. Ich bleibe dabei, dass das Angebot in den Schulen das demokratische Verständnis und damit einhergehend das Bewusstsein für das Wahlrecht noch mehr stärken muss. Gleichzeitig muss man jedem Einzelnen eine gewisse Entwicklungszeit eingestehen. Niemand wird als politisch sensibilisiertes Individuum geboren. Eine vitale Demokratie lebt von einer kollektiven politischen Bildung und diese braucht eben auch den Faktor Zeit.

Wenn es Deine Partei nicht gäbe, wen würdest Du dann wählen und warum?
Ein demokratisches Deutschland ohne die SPD ist schwer vorstellbar, aber ich würde es mit den Grünen halten. Deren Politik ist ebenfalls in vielen Punkten auf Nachhaltigkeit ausgerichtet und bietet in den sozialen Themenfeldern mit Mindestlohn, gleicher Bezahlung für Frauen und der doppelten Staatsbürgerschaft genug Schnittpunkte zur SPD.

Euer Kanzlerkandidat springt ab. Du wirst gefragt, ob Du seinen Platz einnimmst. Was sagst Du?
Es wäre schade, wenn es Peer Steinbrück nicht macht. Doch die SPD hat eine Reihe fähiger Politiker. Die sachlichen Themen hängen nicht an Einzelpersonen. Für mich persönlich aber, um bei der Frage zu bleiben, ist es bereits eine Ehre im Landkreis den Vorsitzendenposten der Jusos auszufüllen sowie in meiner Heimatgemeinde Weyhe ein Ratsmandat für die SPD auszuüben. Hierauf möchte ich mich konzentrieren und weiter Erfahrungen sammeln und insbesondere der Verantwortung gerecht werden, die kommunale Politik mit sich bringt.

Was versprichst Du Deinen jungen Wählern?
Nichts anderes als das, was wir als SPD heute schon versprechen. Eine sachliche und vernünftige Politik, die das Land in Anbetracht ihrer Sorgen und Wünsche gestalten und voranbringen will. Diesen sozialdemokratischen Gedanken würde ich mit dem selben Nachdruck vertreten, wie ich ihn dieser Tage vertrete, wenn ich mit Mitstreitern für unseren Kandidaten Dr. Christoph Lanzendörfer im Haustürwahlkampf werbe.